Saturday 9 April 2016

Ich kann alles - nur öffentlicher Verkehr ist ein Problem

Ich sage nicht, dass ich generell nicht gerne Zug fahre.
Wenn die Landschaft vorbei zieht und mit guter Musik im Ohr, verliere ich mich oft in meinen Gedanken. Das sind aber in allen Fällen eigentlich lange Strecken, auf Basel ist es knapp eine Stunde. Eine Stunde mich gehen lassen, sich verlieren in der eigenen Welt. Ganz ehrlich, beim Autofahren geht das praktisch nicht, vor allem nicht auf dieser Strecke. 
Dreispurige Autobahn, viel Verkehr und saumässig viele Idioten auf der Straße. Das verlangt eine große Portion Konzentration, Geduld und einen kühlen Kopf. Die letzten beiden Dinge besitze ich leider nicht wirklich. Wie ich das hier darstelle, könne man meinen ich hasse Autofahren. Den Stau, das Fokussieren, meine Wutausbrüche. Aber ich bin eigentlich eine leidenschaftliche Autofahrerin. Ich liebe es im Auto zu sitzen, mit guter Musik und wenn mich mal gerade nicht der Verkehr und die Lenker, bei denen ich mich frage wie sie zu ihrem Ausweis gekommen sind aufrege, dann gibt es fast nichts schöneres. Vor allem geht es mir auch darum, dass ich für mich bin, allein. 
Alleinsein, deshalb fahre ich auch lieber Auto als Zug, auch wenn es gerade morgens länger gehen kann. Pendeln hasse ich. Hab's schon immer gehasst. Mit dreizehn Jahren, als ich gerade den Sprung aufs Gymnasium in Zürich geschafft habe, habe ich angefangen zu pendeln. Schon damals war es mir zu früh um 10 nach 6 auf den Bus zu rennen und dann eingequetscht zwischen anderen Menschen 30 Minuten zu stehen. Schon damals wurde es mir schwindelig, schlecht und oft flackerte es vor meinen Augen. Damals wusste ich nicht, dass ich ein Problem mit Gedränge und Enge hatte. Zu laut, zu warm, zu nah. Allein wenn ich daran denke macht es mich nervös und ich kriege ein flaues Bauchgefühl.
Seit ich anfing mit sechszehn regelmässig auf Konzerte zu gehen, und ich an einigen Gigs und vor allem Festivals in der Menge zum Teil sogar ohnmächtig wurde, weil die Massen der anderen Menschen mich fast erdrückt haben (oder so hat es sich zumindest für mich angefühlt), weiß ich das ich mit solchen Situationen einfach nicht klar komme. Vielleicht ist die Mischung von Alkohol und einer panischen Klaustrophobie auch eher suboptimal. 
Durch Gin und Tonic und das Beisammensein von Freunden, vergisst man die Panik und das Bauchgefühl das man hat wenn man in die Menge geht. Sozusagen wird die Stufe übersprungen, in der ich das erste Unwohlsein verspüre und merke das ich die Situation vielleicht besser vermeiden sollte. Ihr aus dem Weg gehen, wie ich es mit dem Pendeln mache. Die Panik erfasst mich dann umso überraschender, dann umso heftiger. Meine Freunde kennen das, sie kennen mich und wissen dass das passieren kann. Sie wissen das sie mich nicht fragen müssen 'Bist du dir sicher dass das eine gute Idee ist?' oder 'Kannst du das wirklich?'. Weil in dem Moment, wenn ich tanze und die Musik spüre, vergesse ich die Angst und habe einfach nur Spaß. Und wenn es dann passiert, sind sie da, wissen was zu tun ist. Und das eine solche Attacke nicht das Ende des Abends bedeutet. Ich brauche einen Moment, bis ich mich gefangen habe und ich weiß dann, dass ich aufhören sollte zu trinken und lieber am Rande des Geschehens stehe. Manche kotzen, ich krieg 'ne Panikattacke. 
Aber genau das ist der Unterschied: wenn ich feiern gehe bin ich immer von vertrauten Leuten umgeben, in einer Gruppe auf der man sich gegenseitig Acht gibt. Wie sie sich um mich kümmern, kümmere ich mich auch um sie, wenn etwas schief läuft. Wenn ich pendle, bin ich allein. Alles fremde Gesichter um mich herum, die nicht wissen können was in mir vorgeht und die mich nicht ablenken und mich aus der Spirale rausziehen können. Das will ich auch gar nicht, weshalb ich versuche mich so gut es geht zusammenzureißen und innerlich an der Angst zerbreche. Und dann ist meistens der Tag schon gelaufen für mich, das wühlt mich auf, weil ich diese Panik in dem Moment wo es passiert nicht rauslassen oder mich ihr entziehen kann. Normalerweise verfliegt das Gefühl, aber wenn ich es mich hineinfressen muss, dann begleitet es mich den ganzen Tag. 
Man sagt zwar, man sollte sich seinen Ängsten stellen. Aber das ist ein Konzept an das ich persönlich nicht glaube. Lernen mit ihr umzugehen, ja das habe ich. Aber sie zu besiegen, ich glaube das wird nie vollständig möglich sein und das ist auch nicht weiter schlimm für mich.